Offener Brief an Minister Helmut Holter – Präsenzbetrieb von Schulen und Kitas in Thu?ringen unter Corona-Bedingungen

Sehr geehrter Herr Minister Holter,


mit wachsender Sorge verfolgen wir FREIE WÄHLER Thüringen die Corona-Pandemie bedingten Auswirkungen auf den Betrieb von Schulen und Kitas im Freistaat. Aktuell steigende Inzidenzwerte bei Corona-Neuinfizierungen im Einklang mit dazu festgelegten Landesverordnungen lassen eine erneute flächendeckende Schließung von allgemein- und berufsbildenden Schulen sowie Kitas in Thüringen wieder möglich werden.
Unsere Positionierung zum Corona-Krisenmanagement sind hinlänglich bekannt und annähernd vergleichbar mit denen anderer Parteien und Parteivertretern aus Regierung und Opposition. Allerdings möchten wir gleichsam übergreifend anregen, die Corona-Teststrategie dringend wieder dahingehend zu ändern, dass alle Kontaktpersonen einer infizierten Person selbst getestet werden. Nur so lässt sich ein vernünftiges Lagebild erzeugen. Jeder weiß, dass auch ein symptomloser Infizierter selbst infektiös sein kann. Die hohe Quote positiver Tests bei Kindern im Landkreis Greiz unterstreicht diese Notwendigkeit.
Ohne in der Rückschau nochmals auf das vielfältig mangelhafte Krisenmanagement der Regierungen von Bund und Freistaat einzugehen, bedarf es nun umso mehr einer gemeinsamen, zielführenden Kraftanstrengung. Daran wollen wir mit unseren Ratschlägen mitwirken, welche ganz sicher Ihre und Ihrer Mitarbeiter Beachtung finden werden.
Noch mehr müssen alle möglichen Wege ausgeschöpft werden, um unseren Kindern/Jugendlichen den per Thüringer Schulgesetz und Schulordnung vorgeschriebenen regulären Besuch von Schulen und Kitas wieder zu ermöglichen. Das erlaubt deren Eltern zugleich die uneingeschränkte Rückkehr an den eigenen Arbeitsplatz und fördert somit unmittelbar die notwendige wirtschaftliche Wiederbelebung Thüringens. Über die Bedeutung des Präsenzunterrichts für die Lernfortschritte von Kindern sind wir uns alle im Klaren.
Viel Lehrstoff konnte und kann nicht ausreichend vermittelt werden, weil der Distanzunterricht aufgrund diverser technischer, administrativer und personeller Unzulänglichkeiten deutlich eingeschränkt war und ist. Noch heute findet Präsenzunterricht in Wechselmodellen sowie unter anderweitig massiv einschränkenden Bedingungen statt, wobei die Klassenstufen 7 bis 9 an den allgemeinbildenden Schulen noch immer vom Schulbesuch ausgeschlossen sind. Dies trotz der erheblichen Kraftanstrengungen, mit denen Schulleitungen und Lehrerinnen und Lehrer an der Einführung und Durchsetzung von Hygieneschutzkonzepten arbeiten.

Wir fordern Sie und die weiteren Verantwortungsträger der Landesregierung deshalb zur Umsetzung folgender Maßnahmen auf.
1) In Anerkennung der durch Pädagogen und Schüler unverschuldet eingetretenen Lerndefizite und gleichermaßen nicht adäquat durchführbaren Leistungsfeststellungen, müssen alle Schüler allgemeinbildender Schulen unabhängig vom Notenbild in die nächste Klassenstufe versetzt werden. Die Möglichkeit einer freiwilligen Wiederholung des Schuljahres ohne negative Auswirkungen muss gegeben sein. Diese Entscheidung ist bis spätestens zum Ende der Osterferien 2021 zu treffen, damit Schulen und Schüler Gewissheit und Planungssicherheit besitzen.
2) Berufsbildende und allgemeinbildende Schulen, wie auch Kitas, sind im Rahmen des Möglichen zügig mit Luftreinigungsanlagen auszustatten. Kommunale Schulträger können dafür notwendige Ausgaben nicht aus eigenen Haushalten bestreiten, weshalb die Landesregierung klar gefordert ist. Dort wo kommunale Träger bereits in Luftreinigungsanlagen an Schulen und Kitas investiert haben, sind die dafür entstandenen Kosten durch den Freistaat Thüringen zu erstatten.
3) Um mögliche Corona infizierte Lehrer, Erzieher und Kinder/ Jugendliche frühzeitig zu identifizieren, muss das Land die Bereitstellung von Antigen-Schnelltests sowie Selbsttests beschleunigen. Bei Kontakt eines Infizierten mit anderen Menschen, muss im Rahmen der Kontaktnachverfolgung die Vorlage eines negativen Corona-Testergebnisses ausreichen, um den Kontaktpersonen den weiteren Besuch ihrer jeweiligen Einrichtung zu ermöglichen und von einer mehrtägigen Quarantäne abzusehen.
4) In Schulen und Kitas müssen Landesverordnungen greifen, welche – anders als gegenwärtig – alltagstauglich und durchhaltefähig sind, um Lehrer, Erzieher und Kinder/ Jugendliche nicht zu verschleißen. Unbedingt müssen die Betroffenen selbst einbezogen werden, um bestmöglich schützende, dabei jedoch ebenso praktikabel anwendbare und somit auch durchsetzungsfähige Verordnungen zu erlassen. Die Träger von Schulen und Kitas sollten unbedingt beteiligt werden.
5) Die Nachholung des versäumten Unterrichtsstoffs muss im kommenden Schuljahr systematisch ermöglicht werden. Dazu sind zügig die notwendigen materiellen, persönlichen und organisatorischen Voraussetzungen zu treffen. Dies betrifft auch die entsprechende Anpassung der Lehrpläne.
Immer mehr neuauftretende Corona-Virenmutationen bestätigen, was Virologen und Mediziner aussagen. Wir werden akzeptieren müssen, mit dem Corona-Virus zu leben. Jährliche Schutzimpfungen werden absehbar zur Routine werden. Deshalb sollten wir im Umgang mit der Corona-Pandemie nicht nur den präventiven Schutz verfolgen, sondern ebenso die kurative Behandlung mehr in eine Corona-Exitstrategie einbinden.
Schlussendlich steht das Ziel zur Rückkehr in einen weitgehend normalen Lebensalltag, mit besonders hoher Priorität fu?r den Präsenzbetrieb in Schulen und Kitas. Deshalb sollten Risikogruppen noch besser geschützt werden, bei gleichzeitiger Anerkennung, dass Kinder/ Jugendliche weder Treiber noch hoch Gefährdete für Corona-Infektionen sind.
Es wäre erfreulich, würden hier vorgebrachte Anliegen und Forderungen schnellstmöglich und umfassend umgesetzt werden. Für weiteren Austausch und Unterstützung stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.


Mit freundlichen Grüßen
Norbert Hein