Wirtschaftssanktionen zur Unterbindung von Kriegsgeschehen sind nicht immer angemessen und können zum Leid durch bewaffnete Auseinandersetzung noch weiteres, humanitäres Leid verursachen. Das Beispiel der gegen Russland verhangenen Sanktionen aufgrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine verdeutlicht dieses. / Stand: 14. März 2023
Deutsche Wirtschaftsnachrichten haben es jüngst bestätigt. Die russische Wirtschaft verzeichnet leichtes Wachstum, während für Deutschland eine Rezession prognostiziert ist. Zugleich wachsen die beiden globalen Ökonomie-Giganten, USA und China, kontinuierlich weiter. In Deutschland erlebt man seit dem Regierungsantritt der Ampelkoalition zunehmende Merkmale von Energiemisswirtschaft, Deindustrialisierung und galoppierender Inflation; während die von Frau Baerbock praktizierte Außenpolitik ständiger Belehrungen über Demokratie und Emanzipation auf zunehmendes Unverständnis einiger mit uns partnerschaftlich verbundener Staaten stößt.
In der Rückschau blicken wir auf eine über dreißigjährige Entwicklung in Europa, welche westliche Arroganz im Umgang mit Russland und dessen staatspolitischen Interessen abbildet. Eine auf Biegen und Brechen durchgeboxte NATO Osterweiterung und die politisch-ökonomisch-sozial abschnürende Einhegung Russlands durch ständiges Vordringen der westlichen Interessensphäre nach Osten wurden durch die Moskauer Kremlführung als aggressiv wahrgenommen. In der Ukraine formierten sich ab 2013 bürgerliche Kräfte gemeinsam mit rechtsnationalen Organisationen und zwangen Präsident Janukowytsch nach den gewaltsamen Protesten des Euromaidans in das russische Exil. Mit dem nachfolgend gewählten und westlich orientierten ukrainischen Präsidenten Poroschenko konnte die Putin-Administration ihre bisherigen Assoziierungsabkommen nicht aufrechterhalten. Geostrategisch und sicherheitspolitisch löste das einen Konflikt um die Stationierung der russischen Schwarzmeerflotte aus, deren Hauptstützpunkt sich in Sewastopol befindet. Ohne entsprechende Garantien aus Kiew, dass die Flotte in ihrem Marinehafen weiter liegen dürfe, entschloss sich Putin zur Annexion der Halbinsel Krim und suchte diese Inbesitznahme durch ein folgendes Bevölkerungsreferendum am 16. März 2014 zu legitimieren, wobei ca. 95% der stimmberechtigten Krimbewohner für den Anschluss an Russland stimmten.
Um Vermittlung bemüht, gelang es Deutschland und Frankreich in der Folge mit Russland und der Ukraine die Minsker Abkommen zu schließen. Darin wurde insbesondere eine Beruhigung der ostukrainischen Region angestrebt, welche durch teilweise bürgerkriegsartige Zustände zwischen dort lebender pro-russischer Bevölkerungsmehrheit und Vertretern der ukrainischen Staatsmacht gekennzeichnet war. Hier muss festgehalten werden, dass sowohl die pro-russische/ russische Seite, wie auch die ukrainische Seite jeweils gegen etliche Vereinbarungen der Minsker Abkommen verstießen. Die Ostukraine war also spätestens seit dem Sturz von Janukowytsch ein ständiges Pulverfass, welches jederzeit zu explodieren drohte. Das rechtfertigt keineswegs den brutalen Angriffskrieg von Putin im Februar 2022 und zeigt doch zugleich, dass es eben nicht nur russisch-imperialistisches Machtstreben ist, welches dieses Kriegsinferno auslöste. Die Wurzeln des Gesamtkonflikts liegen weit tiefer und einen Schwarz-Weiß-Malerei zwischen der Ukraine und Russland funktioniert nicht, denn schuldbeladen sind beide Seiten und das Geflecht aus legalen und illegalen Interessen, aus Machtstreben, Vorteilsnahme, nationalistischen Bestrebungen, Korruption und sonstiger Kriminalität zieht sich durch beide Länder.
Deutschland hat sich jedoch den US-Interessen untergeordnet, ohne eigene nationale Interessen für die eigene Außen- und Sicherheitspolitik gegenüber Russland und der Ukraine zu definieren. In diesem Kontext operieren auch die weiteren NATO und EU Mitgliedstaaten, während nur die Türkei wie in zaghafter Weise auch Frankreich und Ungarn mitunter etwas von dieser Linie abweichen. Konsequent verhängte und verhängt man fleißig Sanktionen gegen Russland, deren Effekte doch nachweislich in den EU Staaten – insbesondere für Deutschland – erheblich schädigender wirken, als dies oftmals beim sanktionierten Russland erkennbar ist. Aber richtig fatal wirkt diese westliche Sanktionspolitik, welche als Entwicklungs- und Schwellenländer auf ungestörte Handelsbeziehungen angewiesen sind; oftmals allein deshalb, um die fragile Ernährungssicherheit für ihre Bevölkerung zu gewährleisten. Es ist daher bezeichnend, dass es gerade Aserbaidschan ist – unser favorisierter Alternativpartner zur Lieferung fossiler Energieträger – welches im 47 Staaten umfassenden (Russland wurde 2022 ausgeschlossen) Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (UNHCR) eine diesbezügliche Resolution einbrachte. Beantragt wurde eine Positionierung der Vereinten Nationen gegen einseitig durch einzelne Staaten (USA, UK) bzw. Staatengruppen (EU) verhangene Sanktionen als Druckmittel gegen andere Staaten, weil dadurch die internationale Ordnung gem. der Charta der Vereinten Nationen ausgehebelt würde und in der Folge erheblich mehr menschliches Leid entsteht.
Bei der Abstimmung über diese Resolution „A/HCR/52/L.18“ am 3. März 2023 stimmten 13 Staaten (dabei USA, UK und im Menschenrechtsrat vertretene EU Mitglieder) gegen die Resolution, mit der einseitig verhangene Sanktionen geächtet werden.
Mexiko enthielt sich seiner Stimme.
Bemerkenswert ist aber, dass eine überdeutliche Mehrheit von 33 Staaten der Resolution zustimmten und damit die von den USA, dem UK und den EU Mitgliedstaaten gegenüber Russland verhangenen Sanktionen verurteilen.
Sieht sich Deutschland als ein gut in die internationale Staatengemeinschaft integriertes Land, dann sollte dieses Votum ein lauter Weckruf sein, um die gegen Russland verhangenen Sanktionsmaßnahmen klar in Frage zu stellen. Ganz im Geiste des französischen Präsidenten Macron darf/ muss auch der deutsche Staat im Interesse seiner Bürger eine gesunde und stabile Eigenpositionierung durchsetzen; selbst wenn es damit zu einer Gegenpositionierung gegenüber Deutschlands wichtigstem Verbündeten, den USA, kommt. Solidarität mit der überfallenen Ukraine zeigt sich eben nicht vornehmlich dadurch, dass man das eigene Land und die eigene Bevölkerung unnötig in existenzielle Nöte treibt.
Uwe Rückert
Landesvorsitzender Freie Wähler Thüringen