Unkalkulierbare Bedrohung


Zieht eine radioaktive Wolke über Europa? Und warum schweigt sich unsere Regierung über den Einsatz und die tatsächlichen Gefahren von Munition aus abgereichertem Uran aus?

Die Ukraine erhält im Krieg gegen Russland von Verbündeten panzerbrechende Munition mit abgereichertem Uran. Wie „Der Standard“ berichtete, habe Großbritannien laut dem britischen Verteidigungsstaatssekretär James Heappey bereits tausende Schuss Munition an die Ukraine geliefert. Für britische Kampfpanzer, die dort im Einsatz seien, auch Urangranaten.
Dabei handelt es sich um Granaten mit enormer Durchschlagskraft. Auch wenn diese Art von Munition nichts mit Atomwaffen zu tun habe, wie offizielle Stellen stets beschwichtigen, die damit verbundenen Risiken und Bedrohungen sind nahezu unkalkulierbar. Anerkannte Wissenschaftler haben längst untersucht, welche Folgen der bereits „erprobte“ Einsatz dieser Munition durch die USA im Irak und auf dem Balkan hatte und verweisen darauf, dass Projektile, die abgereichertes Uran enthalten, nicht nur Panzer durchdringen, sondern eben auch Zivilisten töten und dass freigesetzter Uranstaub in Atemwege eindringt, sich in Grundwasser und Böden ablagert und damit ganze Nahrungsketten verseucht. Das von der bündnisgrünen Politikerin Annalena Baerbock geführte deutsche Außenministerium sieht dagegen solche Probleme nicht. Wie die Zeitschrift „Die Weltwoche“ kürzlich berichtete, antwortete das Ministerium auf entsprechende parlamentarische Anfragen, dass es „keine signifikanten Strahlenexpositionen der Bevölkerung“ gebe. „Geschossen und vergiftet wird schließlich von den Guten für einen guten Zweck“, merkte der „Die Weltwoche“-Kommentator sarkastisch an.
Was für eine Riesengefahr tatsächlich uns in Westeuropa und in Deutschland drohen könnte, wurde dieser Tage nach dem russischen Angriff auf ein riesiges Munitionsdepot am 13. Mai bei Khmelnytski deutlich. Das Portal „Seniora.org“ berichtete von einer heftigen Explosion mit einer schwarzen pilzförmigen Wolke. Am Explosionsort sei offenbar Munition aus abgereichertem Uran gelagert worden. Der Sekretär des russischen Sicherheitsrates, Nikolai Patruschew, warnte daraufhin davor, dass eine radioaktive Wolke auf Westeuropa zusteuere.
Nach Informationen und Recherchen von „Seniora.org“ habe es tatsächlich einen Anstieg der Gammastrahlung in der Nähe der Anlage gegeben. Uranoxid sei schwarz und eine schwarze Wolke habe sich auf Grund einer stabilen Wetterlage langsam in Richtung Nordwesten bewegt. Die Europäische Union hatte nach der Reaktorkatastophe in Tschernobyl ein europaweites Gammastrahlen-Detektorsystem eingeführt, das Gammawerte in Echtzeit darstellt. Die polnischen EU-Detektoren zeigten laut „Seniora.org“ „alle einen Anstieg der Gammastrahlung zum erwarteten Zeitpunkt der Ankunft der Wolke an“. Das EU- Detektorsystem sei daraufhin kurzfristig am 15. und 16. Mai abgeschaltet worden.
Dr. Chris Busby, Physikalischer Chemiker und wissenschaftlicher Sekretär des Europäischen Komitees für Strahlenrisiken (ECRR), erklärte, dass alle Daten blockiert waren. Das von Deutschland aus verwaltete, webbasierte System (EURDEP) stellte die sonst immer verfügbaren Detektorkarten nicht mehr zur Verfügung. Glücklicherweise habe es nach Auskunft des Wissenschaftlers einige Karten im Internet gegeben und einige, die bereits von anderen heruntergeladen worden waren, bevor das System nicht mehr funktionierte.
Seit 18. Mai sei die Webkarte des europäischen Strahlungsdetektorsystems wieder online. Der Kartentyp sei, so „Seniora.org“, geändert worden, „und alles, was wir in den Downloads gesehen hatten, war verschwunden oder durch Mittelwertbildung bei der Datenanalyse verwischt worden. Und warum? Dies und die frühe Sperrung des Zugriffs auf die Website lassen auf Panik und Vertuschung schließen.“

„Die Behauptung im Internet ist demnach meist diese: In dem Waffendepot, das von den Russen getroffen wurde, war mit Uran abgereicherte Munition gelagert, die Großbritannien der Ukraine geliefert hatte.“

Dr. Chris Busby geht davon aus, dass es eine Umweltkatastrophe gibt und die DU-Partikel über Polen, Deutschland und Ungarn wandern und im Baltikum landen, später wahrscheinlich in ganz Europa. Uran sei chemisch gesehen hochgiftig und eingeatmet rufe die radioaktive Strahlung Krankheiten hervor. Die „Frankfurter Rundschau“ weist darauf hin, dass es sich bei diesem Sachverhalt grundsätzlich um Fehl-Spekulationen handeln könnte und das explodierte Munitionsdepot möglicherweise lediglich Flugmunition aus dem Jahr 1949 gelagert hätte: „Das US-Portal Newsweek ging mit seinem Faktenfinder-Team den Behauptungen auf den Grund. Die Behauptung im Internet ist demnach meist diese: In dem Waffendepot, das von den Russen getroffen wurde, war mit Uran abgereicherte Munition gelagert, die Großbritannien der Ukraine geliefert hatte. Schnell bestätigten wissenschaftlich anmutende Diagramme scheinbar die Befürchtung, und auch Berichte in den russischen Medien und rechten Konten in den USA gingen in diese Richtung. Die Quelle der Diagramme war meist der Account SaveEcoBot. Laut Newsweek sind diese Theorien aber nachweislich falsch oder irreführend.“

„Wenn abgereichertes Uran eingenommen oder eingeatmet wird, stellt dies eine ernsthafte Gefahr für die Gesundheit dar.“

Ich finde es schlimm, dass unsere Regierung zu diesem brisanten Thema schweigt, dass unsere Bevölkerung im Unklaren belassen wird und dass keine wirkliche Aufklärung und Erklärung stattfinden. Während hierzulande Spekulationen und Gegen-Spekulationen ins Kraut schießen, ist uns anscheinend gar nicht bewusst, dass der Einsatz von uranhaltiger Munition grundsätzlich ein Spiel mit dem Feuer bedeutet. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (Unep) stufte nach einem „Der Standard“- Bericht abgereichertes Uran als giftiges und radioaktives Schwermetall ein. Nach Angaben der kanadischen Atomsicherheitskommission sei das gesundheitliche Hauptrisiko nicht die Radioaktivität, sondern die chemische Giftigkeit des abgereicherten Urans. Demnach könne die Aufnahme oder das Einatmen hoher Mengen die Niere beeinträchtigen und über längere Zeit das Lungenkrebsrisiko erhöhen. Hingegen sieht die Internationale Atomenergiebehörde keine signifikanten Risiken für Öffentlichkeit und Umwelt beim Einsatz abgereicherten Urans. Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA dagegen warnt: „Wenn abgereichertes Uran eingenommen oder eingeatmet wird, stellt dies eine ernsthafte Gefahr für die Gesundheit dar.“ Hinzu kommt: Laut einer internen Studie des US-Verteidigungsministeriums vom Dezember 2000 kann abgereichertes Uran auch Spuren von Plutonium enthalten. Und Plutonium ist eines der gefährlichsten Gifte, die es gibt.
Marion Schneider

Abgereicherte Uranmunition: eine große Gefahr

Depleted uranium bezeichnet panzerbrechende Munition, deren Projektile abgereichertes Uran enthalten. Wie real und unmittelbar die Gefahr durch den angekündigten Einsatz von derartiger Munition ist, darüber berichtete Marion Schneider, Vorstandvorsitzende des internationalen Kinderhilfswerks Ourchild e. V. Bad Sulza, in einem eindringlichen Redebeitrag auf der diesjährigen Ostermarsch-Veranstaltung in Weimar. 

Marion Schneider warnte in einer Rede auf einer Ostermarsch-Veranstaltung in Weimar über die Gefahren durch den Einsatz von panzerbrechender Munition aus abgereichertem Uran.
Foto: Jörg Schuster

10.04.2023: Marion Schneider, die auch Stellvertretende Landesvorsitzende der Freien Wähler Thüringen ist, bezog sich in ihrer Rede vor den Versammelten in Weimar auf eine Meldung des ZDF vom 21. März 2023. Demnach habe die britische Regierung mitgeteilt, dass sie zusätzlich zu den bereits versprochenen Kampfpanzern vom Typ Challenger 2 der Ukraine künftig auch Munition liefern werde. Dazu gehöre auch panzerbrechende Munition aus abgereichertem Uran. Solche Geschosse seien sehr effektiv, um moderne Panzer und gepanzerte Fahrzeuge zu bezwingen. Die Rednerin informierte weiter darüber, dass die Gegenseite prompt geantwortet habe, indem Russlands Präsident Putin nach einem Treffen mit Chinas Staats- und Parteichef  in Moskau sich geäußert habe, dass sein Land gezwungen sein werde, entsprechend zu reagieren. 

„Der Konflikt eskaliert“, mahnte Marion Schneider und bezeichnete das damit zunehmende Gefahrenpotential als besorgniserregend. „Jede Woche macht die Lage kriegerischer. Viele glauben, dass die Ukraine tatsächlich gegen Russland gewinnen kann, weil sie ja so viele Waffen bekommt. Dass wir mit diesem Pulverfass aber selbst in die Luft fliegen können, ist vielen nicht bewusst – vor allem aber auch nicht die großen Umweltschäden, die derzeit entstehen.“

Es sei bereits seit 1993 dokumentiert, erklärte Marion Schneider, „dass der Einsatz von abgereichertem Uran im Irak zu Missbildungen bei Kindern und zu deren Tod geführt hat.“ Sie verwies auf den deutschen Arzt und Epidemiologen Prof. Dr. Siegwart, der ein Urangeschoss von den Schlachtfeldern des Irak nach Berlin mitbrachte, um es untersuchen zu lassen, da er herausgefunden hatte, dass Kinder nach dem Spielen mit dieser Munition an Leukämie erkrankt und gestorben waren. Auf seine Initiative hin habe ein deutsches Gericht festgestellt, dass ein solches Urangeschoss für die Gesundheit von Menschen schädlich sein könne, weil es radioaktiv und als Schwermetall hoch giftig sei. 

Die Geschosse aus abgereichertem Uran wurden, so die Repräsentantin des Kinderhilfswerkes weiter, danach in Serbien, im Kosovo, in Afghanistan und wieder im Iran eingesetzt: „Sie haben eine wesentlich höhere Durchschlagkraft als Geschosse aus Stahl oder Blei. Während im ersten Irakkrieg 1991 etwa 320 Tonnen eingesetzt wurden, waren es im Irakkrieg 2003 mindestens 2000 Tonnen.“ 

2007 habe das irakische Umweltministerium bekanntgegeben, dass im Irak durch die Kriege 1991 und 2003 mindestens 18 Regionen durch den Einsatz von Uranmunition so verseucht seien, dass man eigentlich die dort lebende Bevölkerung umsiedeln müsse. Inzwischen spreche man von 30 solcher Regionen. 

Das britische Verteidigungsministerium habe im Gefolge des Irakkriegs 2003 zugegeben, dass bei einem Einsatz von nur 40 Tonnen in bewohntem Gebiet mit etwa 500.000 Nachfolgetoten zu rechnen sei. Allein von den etwa 700.000 alliierten US-Soldaten, die im Golfkrieg 1991 Dienst taten, leiden die Hälfte, nämlich 325.000 Soldaten, am sogenannten Golfkriegssyndrom und seien dauerhaft arbeitsunfähig. Marion Schneider: „Viele von ihnen sind an Leukämie, Krebs- und Herzerkrankungen bereits gestorben.“

Die Rednerin sagte, bis zu 155 Staaten hätten bisher die Abstimmungen in den Vereinten Nationen zur Ächtung von Uranmunition und Uranbomben unterstützt, allerdings gegen das Veto der USA, Großbritanniens und Frankreichs, und auch die Europäische Kommission sehe laut Bericht des ZDF vom März diesen Jahres keine Hinweise auf Gesundheitsrisiken. Die Strahlenexposition sei, gemessen an der natürlich vorhandenen Strahlung, sehr gering.

„In deutschen Medien versorgt man uns täglich mit Kriegsberichterstattung“, kritisierte Marion Schneider scharf. Die für Mensch und Umwelt drohende riesige Gefahr durch abgereicherte Uranmunition sei kaum bekannt. „Das dürfen wir nicht hinnehmen“, appellierte sie an die Ostermarsch-Teilnehmer. Für Marion Schneider haben deshalb Demonstrationen und Kundgebungen für sofortigen Waffenstillstand und für Friedensverhandlungen eine enorme Bedeutung.

Jörg Schuster